Weltwirtschaft: Internationale Handelsverträge

Weltwirtschaft: Internationale Handelsverträge
Weltwirtschaft: Internationale Handelsverträge
 
In den 1960er-Jahren fanden die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer ihre wirtschaftlichen Belange in den bestehenden internationalen Organisationen Weltbank, GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) und Internationaler Währungsfonds (IWF) nicht ausreichend vertreten; die Einkommensschere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wurde immer größer.
 
 
Die Vereinten Nationen (UN) reagierten auf diese Unzufriedenheit und beschlossen 1964, die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) als ein ständiges Organ der UN-Generalversammlung zu errichten. Zu den ihr übertragenen Aufgaben gehört vor allem die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Investitionen in Entwicklungsländer. Ihre allgemeinen handelspolitischen Aufgaben überschneiden sich mit denen des GATT. Die Schwerpunktlegung der UNCTAD auf Belange der Entwicklungsländer wird auch aus ihrer Zusammensetzung deutlich; etwa zwei Drittel der (1998) 188 Mitgliedstaaten sind Entwicklungsländer. Ständiges Organ zwischen den alle vier Jahre stattfindenden Generalversammlungen (UNCTAD-Konferenzen) ist der Handels- und Entwicklungsrat, der in der Regel zweimal im Jahr tagt, Verwaltungsorgan ist das ständige Sekretariat mit Sitz in Genf. Die Konferenz formuliert politische Leitlinien und setzt Arbeitsprioritäten; ihre Beschlüsse sind im Gegensatz zu denen der Welthandelsorganisation (WTO) nur moralisch verbindlich.
 
 
Da die meisten Entwicklungsländer in erheblichem Umfang vom Rohstoffexport abhängen, führen Preisrückgänge für Rohstoffe häufig zu hohen Einbußen bei den Ausfuhrerlösen. Infolgedessen gehörte die Forderung nach einer Verstetigung der Rohstoffexporterlöse traditionell zu den Hauptdiskussionspunkten auf den Tagungen der UNCTAD. Angestrebt wurden eine Stabilisierung der Grundstoffpreise »auf hohem Niveau« sowie ihre Indexierung an der Preisentwicklung importierter Industrieerzeugnisse. Ersteres sollte mithilfe internationaler Rohstoffabkommen erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit Preissenkungen zu verhindern bzw. Preissteigerungen zu erreichen, besteht in der Bildung eines Kartells, wie z. B. die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC). Das von den Entwicklungsländern geforderte integrierte Rohstoffprogramm wurde 1976 auf der UNCTAD-Konferenz in Nairobi in Grundzügen entworfen. Es trat aber erst am 19. 6. 1989 in Kraft, nachdem 104 Staaten dem Abkommen beigetreten waren. Ziele des Programms waren, ein Netz internationaler Rohstoffabkommen für insgesamt 18 Produkte zu schaffen und durch einen Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe mit einer Erstausstattung von 10 bis 13 Mrd. US-$ zu finanzieren. Mit diesem Programm zielten die Entwicklungsländer auf eine quasiautomatische Finanzierung von Ausgleichslagern (Bufferstocks), wobei schwache Rohstoffmärkte durch letztlich unbegrenzte Ankäufe gestützt werden sollten. Für fünf Rohstoffe (Kaffee, Kakao, Olivenöl, Zinn und Zucker) bestanden schon internationale Abkommen, zum Teil mit Bufferstock-Mechanismus. 1989 trat der Gemeinsame Fonds in Kraft. Bis auf den Kautschukmarkt wurden keine neuen Preisstützungsmechanismen eingeführt, alle bestehenden Preisregelungen wurden aufgrund der schlechten Erfahrungen sogar aufgegeben. Bei massiven Marktbewegungen reichten die Mittel oder auch die Rohstoffreserven der Fonds nicht aus, um endgültig stabilisierend einzugreifen. Außerdem hielten sich die Entwicklungsländer selbst zum Teil nicht an die vereinbarten Exportquoten.
 
Heute besteht die Aufgabe des Fonds daher in allgemeinen Maßnahmen zur Förderung einzelner Rohstoffsektoren. Die Mittelvergabe erfolgt in Form von Krediten oder Zuschüssen für Projekte, die sich auf die am wenigsten entwickelten Länder und deren Hauptrohstoffe konzentrieren. Finanziert werden keine länderspezifischen, sondern nur produktbezogene Projekte.
 
 
Die Vereinbarung von Rohstoffabkommen zur Exporterlösstabilisierung war ein Element einer Neuen Weltwirtschaftsordnung (NWWO), deren Aktionsprogramm auf der UN-Generalversammlung von 1974 vorgestellt wurde; die NWWO war von der in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer zur Gestaltung der weltwirtschaftlichen Beziehungen konzipiert worden. Weitere Elemente waren unter anderem: Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, Erhöhung des Anteils der Entwicklungsländer an der Weltindustrieproduktion, Erleichterungen im Außenhandel, Neuordnung des Weltwährungssystems, Verbesserung der Entwicklungshilfe. Verglichen mit den Forderungen sind die Erfolge der NWWO für die Entwicklungsländer bescheiden geblieben. Gewisse Fortschritte wurden vor allem im Bereich des Außenhandels erzielt (Lomé-Abkommen zwischen EU und 71 Entwicklungsländern). Mit der WTO ist ein transparenteres, verlässlicheres Welthandelssystem geschaffen worden, das den Entwicklungsländer als den schwächeren Partnern einen besseren Marktzugang ermöglichen soll.

Universal-Lexikon. 2012.

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